Eine Schule für einen Euro

Förderverein kauft Ilztalschule für einen Euro von der Gemeinde – Sanierung kostet 3 Millionen – 62 Schüler zum September

Hutthurm. In die Turnhalle tropft der Regen, der Brandschutz gehört überarbeitet und behindertengerecht ist das Gebäude aus den 70er Jahren auch nicht: Die Ilztalschule in Kalteneck muss saniert werden.

Wäre die Ilztalschule eine staatliche Schule, würden sich jetzt wichtige Baudirektoren und Amtsmitarbeiter die Klinke in die Hand geben und an ihren Schreibtischen wohlfeile Sanierungspläne erarbeiten. Aber die Ilztalschule ist eine besondere Schule: Die Lehrer unterrichten nach einer Art Montessorikonzept jahrgangsübergreifend, die Schüler zahlen etwas Schulgeld und sind für vieles selbst verantwortlich. Das Gebäude hat der Förderverein von der Gemeinde Hutthurm gemietet. Bisher. 

Gemeinde übernimmt AusfallbürgschaftDie zwei Schulleiterinnen Irmgard Paulik (61) und Lisa Büttner (34) wollen die Schule kaufen. Sie sind die Vorsitzenden des Fördervereins. Die Gemeinde Hutthurm hat zugestimmt, das Gebäude den Schulleiterinnen für einen symbolischen Euro zu überlassen. Für die Sanierung sind sie nun selbst verantwortlich. „Es wäre sonst einfach nicht mehr weitergegangen“, erzählen die zwei Lehrerinnen, „das Ende der Schule stand im Raum.“ Und mit dieser Vorstellung konnten sich die zwei Idealistinnen so gar nicht anfreunden. 

2010 haben die beiden die Schule gegründet, zuerst wenige Schüler aufgenommen und im Unterricht verschiedene reformpädagogische Ansätze miteinander kombiniert. Klassen gibt es nicht, feste Pulte auch nicht und Frontalunterricht schon gar nicht. Die Lehrer geben ihren „Input“ im Sitzkreis und die Schüler entscheiden selbst, was sie lernen wollen und wann sie ihre Prüfungen schreiben. Inklusion ist selbstverständlich – wobei die Schulleiterinnen eine Unterscheidung zwischen „normalen“ Kindern und welchen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gar nicht machen. „Alle Besucher sind immer erstaunt, wie leise und effektiv das Lernen bei uns ist“, sagen die zwei. Im Erdgeschoss werden rund 40 Schüler der Grundschulstufe gemeinsam unterrichtet; jedes Kind hat seinen eigenen Lernplan, an dem es selbstständig weiterarbeitet. Im oberen Geschoss wird seit zwei Jahren die Sekundarstufe unterrichtet. Schüler auf Mittelschul-, Realschul- und Gymnasialniveau lernen gemeinsam. 

Im Laufe der Jahre ist die Zahl der Schüler gestiegen, die Rückmeldungen von Eltern und Kindern waren positiv. Mittlerweile gibt es lange Wartelisten. Ab September werden 43 Kinder in der Grundstufe und 19 in der Sekundarstufe unterrichtet, von insgesamt fünf Lehrern und zwei Sozialpädagoginnen. Die Grundschüler zahlen 125 Euro Schulgeld pro Monat, die Kinder in der Sekundarstufe 150 Euro. 

Drei Millionen Euro soll nun die Sanierung kosten. Nacheinander müssen Turnhalle, das Obergeschoss für die Sekundarstufe und der Anbau für die Nachmittagsbetreuung saniert werden; dieser erste Bauabschnitt wird rund 1,8 Millionen Euro kosten. Darauf folgen zweiter und dritter Bauabschnitt, der die Renovierung des Untergeschosses für die Grundschulgruppe sowie Aufzug und Sanitäranlagen beinhaltet. Mit 60 bis 70 Prozent an staatlichen Fördergeldern rechnen die zwei Schulleiterinnen. Ein weiterer Teil der Kosten wird durch Langzeitmietverträge für die Turnhalle und weitere Zuschüsse abgedeckt. Den Rest – sie rechnen mit 750000 Euro – müssen sie selbst bestreiten. „Wir wären bereit gewesen, mit unserem Privatvermögen zu haften“, sagt Lisa Büttner. 

Doch da kam Hilfe von der Gemeinde Hutthurm. „Für den Ort ist die Schule sehr, sehr wichtig“, sagt Bürgermeister Hermann Baumann, „Hut ab vor diesem Team, das sehr aktiv ist.“ Die Turnhalle wird nicht nur von Schulkindern, sondern auch von mehreren Vereinen genutzt, beispielsweise den Ju Jutsu Tigers Hutthurm oder auch von der Volkshochschule. Deshalb hat der Marktgemeinderat in seiner nicht-öffentlichen Sitzung beschlossen, eine Ausfallbürgschaft zu übernehmen. Bringt der Verein das Geld nicht zusammen, springt die Gemeinde ein. Eine Win-win-Situation, meint der Bürgermeister: „Wenn der Förderverein selbst saniert, können Fördertöpfe angezapft werden, bei denen sich eine Gemeinde schwer tut. Und dazu kommt viel Eigenleistung der Eltern.“ Der Kaufvertrag ist zwar noch nicht unterschrieben, aber „auf sehr gutem Weg“, so Baumann. „Der Notar ist gerade an den Formulierungen“, sagt er. Der Verkauf ist übrigens zweckgebunden: Wenn die Schule aufgegeben würde, fiele das Gebäude an die Gemeinde zurück. 

Im Frühjahr soll die Sanierung starten“Wir haben lange überlegt, ob wir das machen sollen“, erzählt Lisa Büttner. „Können wir das leisten? Die Fördergelder bekommt man ja nicht gleich, sondern muss erstmal zwischenfinanzieren“, sagt sie. Schlaflose Nächte hatten die beiden so einige. Sie kalkulierten und überlegten. Bereits die ersten Erdbohrungen und die Elektroplanung im Vorfeld kosteten 50000 Euro. Wird das funktionieren?, fragten sie sich. 

Positive Rückmeldung bekamen die beiden von den Eltern. An ihrer Schule bringen sich die Eltern in Arbeitsgruppen ein – jede Gruppe übernimmt eine bestimmte Aufgaben. Und da kommt Michael Wettengl (50) aus Passau ins Spiel. Seine elfjährige Tochter Paulina geht seit einem Jahr in die Ilztalschule – und der Vater kümmert sich um Sponsoren. „Ich als Elternteil bin voll überzeugt vom Konzept der Schule, Paulina ist sehr glücklich hier“, erzählt er. Deshalb versucht er, die beiden Schulleiterinnen zu unterstützen. „Wir müssen jetzt versuchen, über regionale Firmen, Schulaktionen und Veranstaltungen, an weitere Sponsoren und Unterstützer zu kommen“, hat er sich zum Ziel gesetzt. 

Über die Wintermonate sollen die Ausschreibungen starten, im Frühjahr soll es losgehen mit dem Umbau. Auf dem Gang hängen die Umbaupläne und Entwürfe, wie die Schule nach dem Umbau ausschauen wird. „Jetzt geht es endlich los“, freuen sich die beiden Schulleiterinnen. Irmgard Paulik sagt: „Es wird nicht einfach, aber wir machen es einfach. Just do it – so haben wir uns auch gegründet.“